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Das “Tool” hat als Metapher ausgedient

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Wörter und Metaphern formen unser Denken, sie beeinflussen die Wahrnehmung unserer Realität erheblich. Manche Metaphern – schnell wie ein Blitz oder lahm wie eine Schnecke – sind so tief in uns verankert, dass wir sie noch nicht einmal infrage stellen.

Das ist ja auch der Sinn einer Metapher: Mit wenigen Wörtern, oder sogar nur einem einzigen, wird ein umfangreiches Bild kommuniziert. Das ist zweifellos sehr effizient, oft auch effektiv. Es vereinfacht die Kommunikation.

Die Schnecke und der Blitz sind gute Metaphern; es gibt sie schon so lange, dass das Bild, welches sie jeweils beschreiben, eindeutig ist. Es gibt bisher keinen Grund an der allgemeinen Gültigkeit dieser Bilder zu zweifeln.

Manchmal jedoch wird eine Metapher zu einem Problem. Und zwar genau dann, wenn diese etwas impliziert, was nicht der Realität entspricht; ob subjektiv oder objektiv lassen wir mal außen vor.

Für mich ist das Tool so ein Fall. In vielen Gesprächen fühle ich mich umgeben Tools: CRM-Tools, Lead-Management-Tools, WYSIWYG-Tools, Marketing-Tools, Bildbearbeitungs-Tools, E-Mail-Tools, Customer-Journey-Tools, Tracking-Tools, Ad-Blocker-Tools, Build-Tools […] es gibt sogar Tools um meine Tools zu verwalten.

Richtig ist an dieser Metapher, dass es um Werkzeuge geht. Ein Mittel zum Zweck, gleichsam wie man einen Hammer verwendet, um einen Nagel in die Wand zu schlagen oder einen Schraubenschlüssel, um eine Mutter (!?) fest zu ziehen.

Eines geht jedoch häufig vollkommen an der Realität vorbei, und das ist das Problem: Das Werkzeug Hammer kann ich, wie höchstwahrscheinlich der Großteil der Weltbevölkerung, ohne großen Aufwand als Mittel zum Zweck verwenden. Ich habe nie eine Schulung für die Verwendung eines Hammers erhalten, und dennoch kann ich auf einem akzeptablen, zweckdienlichen Niveau und mit geringem Risiko – in diesem Fall für die körperliche Unversehrtheit meiner selbst sowie meiner näheren Umgebung – dieses Werkzeug anwenden. Auch wenn ich sicherlich weit weg davon bin, virtuos mit einem Hammer umzugehen.

Trifft dies auch auf ein CRM-Tool zu? Selbst ein E-Mail-Tool, welches sicher noch zu den gefühlt einfacheren gehört, kann leicht zu einer Herausforderung werden, die ohne einen Spezialisten kaum lösbar ist. Und das, obwohl wir dieses Tool schon seit Jahren verwenden.
Sicher, um mal eine (Text-)E-Mail zu schreiben reicht es meistens. Wenn diese dann aber visuell gestaltet und ‘responsiv’ sein soll, damit sie auf Smartphones auch gut aussieht, stoßen viele an die Grenzen ihrer Fertigkeiten, sind also nicht mehr in der Lage, das Tool zweckdienlich zu verwenden.

Dennoch formt die Tool-Metapher ebendiese Erwartungshaltung: Das kann doch nicht so schwer sein, ist doch nur ein Tool. Die zwingende Antwort darauf ist dann: Ja, aber es ist halt kompliziert. (Das ist es wirklich.)

Richtig, aber dann ist die Metapher schlicht falsch! Anstatt jedoch diese folgerichtig infrage zu stellen, wird nach einem anderen Tool gesucht, einem einfacheren versteht sich, weil das derzeitige einfach zu kompliziert ist.

Das richtige Tool auswählen?

Und nochmal greift diese Metapher erheblich zu kurz. Geht man in einen gut sortierten Baumarkt, der früher auch mal Werkzeugladen hieß, lassen sich dort Vorschlaghämmer, Maurerhämmer, Gummihämmer und sicher noch ein paar weitere Varianten finden. Dennoch fällt es uns in der Regel leicht, den zweckmäßigsten Hammer innerhalb weniger Sekunden zu identifizieren. Jeder weiß, dass dies bei einem Web-Analytics- oder Business-Intelligence-Tool ein ganz klein wenig anders funktioniert.

Dennoch gehen viele dabei so vor, als würden Hämmer miteinander verglichen. Es werden Anforderungs- und Featurelisten erstellt, sowie Preise verglichen – ganz so, als ginge es um die physischen Eigenschaften eines Hammers.

Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist der Beitrag zur Zweckerfüllung, die erwartete Vereinfachung für das Erreichen eines Ziels. Doch wovon hängt diese denn ab? Klar, bei einem Hammer überwiegend von den physischen Eigenschaften desselben. Bei einer Software wie einem (prinzipbedingt komplizierten) CRM- oder Lead-Management-System jedoch überwiegend davon, wie die Software von wem mit welchem Lern- und Einarbeitungsaufwand auf welchem zweckdienlichen Niveau genutzt werden kann.
Schon an der Konstruktion meines Satzes lässt sich hoffentlich ablesen, dass das weit weg ist von der Tool Metapher.

Vor zwei Jahren hatte ich in einem Blog-Artikel, in dem ich mich mit dem Auswahlprozess eines Content-Management-Systems (CMS) beschäftigte, darauf hingewiesen, dass es vor allem darauf ankommt, dass das System in den entsprechenden Kontext passt, der dadurch determiniert ist, dass jene Personen, die mit dem CMS arbeiten sollen, ebendies auch tun. Und bis heute sage ich Kunden, die mich danach fragen, dass es primär nicht um CMS-Features gehen sollte. Der Zweck eines Web-CMS ist, dass Personen mit geringen HTML-Fähigkeiten, eine Website pflegen, erweitern, am Leben halten können. Der überwiegende Teil der Feature-Listen vieler Content-Management-Systeme trägt zur Erreichung dieses Ziels keineswegs positiv bei. Im Gegenteil.

Das richtige Tool lässt sich in diesem Kontext eben nicht über die Eigenschaften des Werkzeugs finden, sondern vor allem über die Eigenschaften des oder der Anwender. Das ist ein vollkommen anderer Blickwinkel, den die Tool-Metapher jedoch nicht impliziert. Hierin liegt einer der Hauptgründe für gescheiterte Software-Projekte – und dabei ist die Software selbst nicht das Problem.

Fazit

In den zentralen Bereichen versagt die Tool-Metapher, weil sie ein falsches Bild zeichnet. Vieles, was wir als Tool bezeichnen, ist weder mit geringem Lern-Aufwand zweckdienlich einsetzbar, noch sind es die Eigenschaften des Tools, aus denen sich primär ableiten lässt, wie zweckdienlich die Software ist oder sein kann.

Leider kann ich als Einzelperson – prinzipbedingt – keine Alternative im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen. Vielleicht, und das mache ich recht bewusst, hilft es schon, wenn öfter von einem System oder einer Software gesprochen wird. Zwar sind dies keine Metaphern im eigentlichen Sinn, aber diese Begriffe sind näher an der Realität.


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