Immer noch wollen alle sein wie Apple. Wir verraten Ihnen, warum es vielleicht besser wäre, sich ein neues Vorbild zu suchen – mit einer kleinen Geschichte über das Verwechseln von Strategie und Verzweiflung.
Das Mantra des Misserfolgs
Oft übersehen wir das, was uns am nächsten ist. Auch Dinge, die wir täglich in unserer Hosentasche mit uns herumtragen. Seien wir ehrlich: Sie lieben Ihr Smartphone. Oder Sie hassen Ihr Smartphone. Wie dem auch sei, Sie hegen dem Gerät gegenüber auf jeden Fall starke Gefühle. Es ist persönlich. Sie sind sich auch dessen bewusst, was darin steckt – zumindest ungefähr. An Technik, Entwicklung, Design. Und ist es ein iPhone, dann bewundern Sie wahrscheinlich die Raffinesse, mit der es gefertigt wurde und die nahtlose Verbindung von Hard- und Software. Genauso möchten Sie auch sein – Ihre Website, Ihre App: schnörkellos, elegant, so wie Apple halt. (Würden wir jedes Mal einen Euro kriegen, wenn wir das aus dem Munde eines Kunden hören, dann könnten wir, nun, so sein wie Apple – rein finanziell gesehen.)
„DON’T BE APPLE – ONLY APPLE CAN BE APPLE“
Diese Einstellung sollten Sie jedoch überdenken. Apples Erfolg kann man nicht kopieren – hier standen zu viele Sterne richtig, als dass man von einem rein strategischen Sieg sprechen könnte. Das haben auch andere inzwischen verstanden. Allen voran SAMSUNG. Haben Sie also ein SAMSUNG Galaxy S7 oder Note 7 in der Hosentasche, sollten Sie es sich einmal genauer ansehen und davon lernen.
Das Pflaster aus Barbies Erste-Hilfe-Kasten
Es gab Zeiten in der Tech-Welt – die sind noch gar nicht so lange her –, da war SAMSUNG verlacht. Während Apple satt und zufrieden auf dem Smartphone-Thron saß, versuchte der Elektronik-Riese aus Süd-Korea ihn mit allen Mitteln von diesem zu stoßen. Einige davon wirkten halbgar, andere waren sogar regelrecht lächerlich – zumindest in den Augen der Fachpresse. Da gab es Telefone, die der Kontur des Beins angepasst waren und so mit einer Biegung des Gehäuses besser in der Hosentasche liegen sollten. Es gab das Galaxy S5, dessen glitzernde Rückseite mit ihren Rillen aussah wie ein Pflaster aus Barbies Erste-Hilfe-Kasten. Es gab Kieselsteine, die Musik abspielten, Wasserplatschen beim Entsperren der Geräte, Smartwatches mit einer Kamera-Warze. Und alles wurde in großen Keynotes von Broadway-Performern vorgesungen und nicht einfach nur präsentiert.
In dieser Zeit sagte man SAMSUNG – aber auch anderen Herstellern – nach, sie würden alles an die sprichwörtliche Wand schleudern und anschließend gucken, was haften bleibt. Zahllose Gadgets, von denen einige nur einen einzelnen Monat auf dem Markt blieben. Das sah ganz schön verzweifelt aus. Doch war es das wirklich?
Strategie und Verzweiflung sind leicht zu verwechseln
Dieses Jahr brachte SAMSUNG das Galaxy Note 7 auf den Markt – ein Phablet (eine Gerätekategorie, die vor Jahren auf SAMSUNGs eigenem Mist gewachsen und inzwischen für chronische Prellungen an den rechten Oberschenkeln zahlloser Skinny-Jeans-Träger weltweit verantwortlich ist). Das Note 7 hat den besten Bildschirm auf dem Markt, die Beste Kamera, die praktischsten Features und mit seinem geschwungenen Display das schönste Design – und das ist die Meinung nahezu aller Reviewer. Viele nennen es sogar das beste Smartphone, das jemals gebaut wurde. Und das von einem Hersteller, der zwei Jahre zuvor mit seinen Hard- und Softwarespielereien in den Augen vieler noch so verzweifelt wirkte.
Was jeder übersah: SAMSUNG ist ein Technologie-Riese mit ebenso riesigen Ressourcen und mehr Standbeinen als ein Tausendfüßler. Der Konzern kann es sich durchaus leisten, mit einem Produkt zu versagen, daraus zu lernen und schnell mit der nächsten Iteration an den Markt zu gehen.
„BUILD, FAIL, REPEAT!“
Die Wand war kein Zeugnis von Verzweiflung, sondern Langzeitstrategie. Das Unternehmen hat inzwischen so viel über das Kaufverhalten und das Nutzungsverhalten seiner Kunden gelernt – was diese mögen und was nicht –, dass es mit Fug und Recht behaupten kann, sie verstanden zu haben. Und bescheiden ist man diesbezüglich auch nicht – SAMSUNG nutzt jede Gelegenheit, um das zu betonen. Das Geschäftsergebnis spricht aber ebenso deutlich: Die Verkaufszahlen von SAMSUNGs neuen Telefonen brechen alle Rekorde.
Befreien Sie die Prinzessin
Wenn Sie also bald gefragt werden, wie Sie sich darstellen möchten, welche Wahrnehmung von Ihrem Unternehmen Sie anstreben, sagen Sie nicht mehr Apple. Stecken Sie sich ein erreichbares Ziel: seien Sie wie SAMSUNG – uneitel, aber ambitioniert. Im Digitalgeschäft brauchen Sie dazu auch kein koreanischer Technologie-Supertanker zu sein. Sie müssen lediglich bauen, analysieren, ändern – das auch gerne auf dem Level einzelner Unterseiten Ihres Internetauftritts. Finden Sie schnell heraus, was funktioniert und was nicht – fallen Sie währenddessen ein paar Mal aufs Kinn – und erreichen Sie schließlich den Moment des Zen, in dem alle Rädchen ineinandergreifen. Auch Mario hatte mehrere Leben, um die Prinzessin zu befreien. Und selbst, wenn viele Unternehmen den temporären Misserfolg leider immer noch als point of no return sehen und scheuen, auch sie werden lernen müssen: Im heutigen Business sind kleine Niederlagen der Weg zum großen Erfolg.
HINWEIS: Bei alldem sollten Sie natürlich auch darauf achten, dass Ihre Produkte nicht plötzlich explodieren 😉