Dieser Artikel ist reine Ansichtssache. Genauer gesagt, von meinen Beobachtungen der Welt der B2B-Kommunikation. Der Höflichkeit halber, aber auch um diese Zeilen besser einordnen zu können, kurz zu mir: Ich bin Frischling in der B2B-Welt. Gerade mal ein knappes Jahr dabei. Davor in klassischen Werbeagenturen auf sog. klassischen Etats großer Marken. Und ehrlich gesagt, ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Marmelade ist ein Gourmet-Frühstück, Motoren sind Triebwerke, Schokolade ist lila, Regenbögen zum Naschen da, … gute Werbung erzeugt Bilder, weckt Sehnsüchte, sie schafft ein „Ja, ich will“. Nicht ein „O.k., ich sollte“.
Weniger gute Werbung ist Information. Sie zielt auf den Verstand, ist logisch, richtig, meistens gut geplant und erreicht doch nur – Stillstand. Warum? Weil sie eines oftmals nicht ist, nämlich interessant. Womöglich liegt es daran, dass deren Macher das Wichtigste aus dem Blick verloren haben: den Menschen. Stattdessen sehen sie Verbraucher, Entscheider, Gatekeeper, Consumer Journeys, Touchpoints, Buying Center …
I’ve learned that people will forget what you said, people will forget what you did, but people will never forget how you made them feel.
Wer Werbung macht, ist leiderprobt. Er weiß, wie es sich anfühlt, tage- und nächtelang an Kampagnen zu arbeiten, um schließlich am Tag der Präsentation in ausdrucks-, womöglich verständnislose Gesichter zu blicken. Das ist nicht schön. Doch warum erzähle ich das? Weil es zu der Frage führt, woher dieser Begeisterungssturm rührt? Man könnte sagen, dass die Ideen nicht kreativ, interessant, relevant genug waren. Möglich!
Möglich aber auch, dass das Unvermögen auf der anderen Seite liegt. Was von der Kampagne übrig bleibt, ist meistens das: Die Imagebroschüre weicht dem Sales Folder. Die Anzeigenkampagne? Ein Motiv muss reichen. Shooting? Muss das wirklich, es gibt doch Fotolia. Der Imagefilm? On hold. Die Landingpage? Wird noch einmal strategisch geprüft.
Was ist passiert? Aus einem großen Ansatz, einem umfassenden Briefing wurde eine kleine, mittelmäßige Kampagne. Der kleinste gemeinsame Nenner eben. Wird er Verhalten verändern? Die Ziele erreichen? Wahrscheinlich nicht! Ist das B2B-typisch? Ja, soweit ich das beurteilen kann, schon. Gibt es das in klassischen Endverbraucher-Kampagnen auch? Ja natürlich, aber nicht in diesem Maße.
Warum ist das so? Hier meine Theorie, nennen wir sie die Belanglosigkeit des Richtigen.
Wer alles richtig machen möchte, wird mutlos. Er muss ja das Scheitern vermeiden. Erschwerend kommt hinzu, dass man mit professionellen Zielgruppen spricht, denen man erklären muss, was das neue Schmiergelenk so alles besser kann als das alte. Da sprechen Profis mit Profis und – man schläft ein.
Die Wahrheit ist: Das sind Menschen! Sie wollen genauso gut unterhalten werden wie bei dem lustigen Spot gestern Abend für diesen einen Schokoriegel. Den haben sie sogar heute Morgen noch im Kopf. Doch jetzt am Schreibtisch — gähnend grüßt das Schmiergelenk.
Dabei ist alles so gut erklärt: Klare, nur maximal zweizeilige Headlines, schön aufgeräumte Bulletpoints und nach ’ner halben Stunde ist man auch schon mit dem Text fertig.
Das muss so, weil das ist professionell und seriös. Schließlich verkaufen wir keinen banalen Schokoriegel – erklärungsbedürftige Produkte sind das. Soso, hier gibt es Erklärungsbedarf. Das hat etwas von „Du stehst erst auf, wenn Du aufgegessen hast – oder wir es zu Ende erklärt haben“. Ich will aber nichts erklärt
bekommen, ich will begeistert werden.
Wie wäre es zur Abwechslung mit etwas Unterhaltung, Überraschung, Bildern, die haften bleiben? Einer Geschichte etwa von einem, der an seinem Zeigefinger zog, um das beste Schmiergelenk der Welt zu machen. Vielleicht geht’s noch einen Schritt weiter und wir überlegen uns, welche Themen so ein Gelenk noch besetzen könnte. Das Um-die-Ecke-Denken vielleicht? Das Zusammenbringen von etwas? Das Übertragen von Kraft?
Echte Projekte, die echten Content erzeugen
Produktvorteile sind meistens austauschbar, die Grenzen des technisch Machbaren oft ausgereizt, Differenzierungen über das reine Produkt schwierig, über den Service teuer. Was bleibt, ist die Marke. Die muss mehr sein als reiner Formalismus. Eine Persönlichkeit mit einer Haltung, einer Art zu sprechen, zu denken, zu handeln.
Folgendes passiert: Die perfekt segmentierte Zielgruppe wird aufhorchen und sich denken „Hoppla, was tun die da?“ Womöglich wird sie aus freien Stücken Kontakt aufnehmen. Vielleicht nicht beim ersten, vielleicht aber beim dritten Mal. Was das voraussetzt? Think human!
Vergessen wir kurz, Werbung für Topentscheider zu machen, und pressen unsere Ideen nicht in Nadelstreifen. Tun wir stattdessen so, als würden wir Werbung für Menschen machen. Menschen, die selbst im Büro, auf der Messe, auf Reisen gut unterhalten werden möchten. Nur wie?
Was Start-ups aufgrund mangelnder Ressourcen erfolgreich vormachten, wird von großen Unternehmen zunehmend kopiert: build, measure, learn. Annahmen werden getroffen und sofort am Markt auf ihre Gültigkeit überprüft. Auf Basis des Gelernten werden die Kampagne und die ihr zugrunde liegenden Annahmen
angepasst, verfeinert. So geht das immer weiter. Ein Kreislauf entsteht, der bestenfalls in beide Richtungen wirkt — auf das Produkt selbst und die Kommunikation. Er hat aber noch eine weitere Auswirkung: das Arbeiten an der Kampagne während der Kampagne. Und damit das Ergreifen der Chance, Themen auszuprobieren. Wird man Fehler machen? Natürlich wird man das. Holger Jung oder Jean Remy von Matt sagten einmal: „Wer überholen möchte, muss die Ideallinie verlassen, sonst geht’s nicht.“ Stimmt schon. Neben der Ideallinie lauern eine Menge Dreck und Gummiabrieb, der Gegenwind trifft einen mit voller Wucht. Doch schiebt man sich Rad an Rad, Zentimeter für Zentimeter am anderen vorbei und nimmt die nächste Kurve als Erster, dann war es das wert.
Also, Sie da draußen, lassen Sie sich vom Küken sagen: „Es geht noch besser.“ Mit mehr Mut, Entschlossenheit und etwas weniger Politik. Eigentlich ganz einfach. Eigentlich.
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